NABU Hessen: Forstarbeiten in Schutzgebieten müssen im März abgeschlossen werden
Manch einer wundert sich, dass im Frühlingswald mit schweren Forst-Maschinen Bäume aus den Beständen gezogen werden, obwohl Privatleute schon seit dem 1. März in ihren Gärten keinen Gehölzrückschnitt mehr machen dürfen, wie es das Bundesnaturschutzgesetz vorschreibt. Das hessische Umweltministerium ist per Erlass vom 4. März an den Landesbetrieb Hessen-Forst von seiner „Naturschutzleitlinie für den Hessischen Staatswald“ abgerückt und lässt das Herausziehen gefällter Bäume auch im Frühling zu – sogar in Europäischen Schutzgebieten.
Darin heißt es: „Demnach gelten für die Holzrückung innerhalb und außerhalb von Natura 2000-Gebieten keine zeitlichen Einschränkungen“ mehr. „Die Vögel sind bereits mitten im Brutgeschäft und werden durch das Holzrücken gestört“, so Maik Sommerhage, Landesvorsitzender des NABU Hessen. Das betreffe Vögel die im Unterholz brüten, wie Rotkehlchen, Zaunkönig, Mönchsgrasmücke oder Heckenbraunelle, Ende April/Mai auch am Boden brütende Vögel wie Waldlaubsänger oder Waldschnepfe. Die Blütenpracht von Frühjahrsblühern wie Bärlauch, Buschwindröschen und Orchideen wie das Rote Waldvögelein könne durch Bodenverletzungen zerstört werden. Im April erwachen auch kleine Säugetiere wie die Haselmaus, die gern in Gebüsch aus Brombeeren, Hasel, Weißdorn oder Holunder ihre Nester baut.
Der NABU sieht darin einen klaren Verstoß gegen das Artenschutzrecht. „Insbesondere in europäischen Vogelschutzgebieten muss Rücksicht auf die brütenden Vögel genommen werden“, so Sommerhage, der sich über das Vorgehen des Landes ärgert. Zwar sehe der Erlass vor, dass „die Erhaltungszustände der Natura 2000-Schutzgüter … nicht beeinträchtigt werden“ dürfen. Das betrifft aber nur sehr wenige ausgewählte Arten. Verwundert ist der NABU über die Neudefinition der „Brut- und Setzzeit“: Ab Mai sei „Brut- und Setzzeit“, dann müsse es ergänzende naturschutzrechtliche Prüfschritte geben, so der Erlass. Wann die Brut- und Setzzeit beginnt, ist in Hessen nicht definiert. In vielen Bundesländern beginnt sie im März oder im April, niemals jedoch im Mai. Zahlreiche Studien belegen: Entgegen früheren Jahrzehnten beginnen viele Zugvogelarten mittlerweile rund eine Woche früher mit der Brut als noch in den 1970er Jahren.
Verständnis zeigt der NABU für die Not des Forstbetriebs, geeignete Zeiträume für die Befahrung des Waldes zu finden: Da im Klimawandel lange Frostperioden fehlen und die Böden im Winter zu nass sind, weicht der Forst für den Bodenschutz auf trockene Monate aus. Mit Rücksicht auf die Natur müsse aber gelten „In Schutzgebieten zuerst“, so Sommerhage. Dann könnten die Forstämter zumindest in den Schutzgebieten die Rückearbeiten im März abschließen, der gerade extrem trocken war.
Das Umweltministerium „empfiehlt“ dem Landesbetrieb HessenForst, ab Mai „innerhalb und außerhalb von Natura 2000-Gebieten in Laubbaumbeständen … zeitnah vor Beginn der Rückearbeiten den Bestand zu begehen“ und dabei „die Gründe für die Unbedenklichkeit der vorgesehenen Arbeiten für die Natura 2000-Schutzgüter des Gebietes und den Artenschutz zu dokumentieren.“ Eine Verträglichkeitsvorprüfung soll es laut Erlass explizit nicht geben. Dann könne von einer „guten fachlichen Praxis“ der Forstwirtschaft ausgegangen werden. „Es ist jedoch unrealistisch, dass bei einer Begehung im Mai bei belaubtem Kronendach alle Vorkommen von Rotmilan, Mäusebussard, Baumfalke und Waldohreule, Fledermäusen, Amphibien und Reptilien sowie der Wildkatze beobachtet werden können, und dann auf das Holzrücken verzichtet wird“, so Sommerhage. Große Waldvögel würden schon im März und April in den Kronen ihre Horste besetzen, die den Holzrücke-Firmen leider in den meisten Fällen nicht bekannt seien.
Durch eine zeitliche Priorisierung der Schutzgebiete könnten Schäden am einfachsten vermieden werden. Nach dem Hessischen Naturschutzgesetz (§7) solle das Land eine Vorbildfunktion wahrnehmen, so Sommerhage.